Samstag, 06.03.2004

Helmut Zerlett & Co.

TRANCE GROOVE

MEANT TO BE LIKE THIS

"Dance Floor vom Feinsten" - so das gängige Synonym für das Projekt TRANCE GROOVE, das verschiedenste Elemente wie Jazz, Rock, Weltmusik und Avantgarde zu nicht alltäglichen Clubsounds vereinigt. Das Projekt wurde 1992 von Stefan Krachten ins Leben gerufen anlässlich des Festivals "Ballroom Blitz" im Kölner Stollwerk. Die ursprüngliche Besetzung mit Stefan Krachten (dr), Dal Martino (bs), Jürgen Dahmen (keyb), Reiner Winterschladen (tr), DJ Heli (turntables) und Mathias Keul (git) wurde um Helmut Zerlett (keyb) und Samson Gassama (perc) ergänzt. Aus der Aufzeichnung des Stollwerk-Konzerts entstand mit Overdubs von Zerlett und Gassama das erste Album "Solid Gold Easy Action" (1994). Inzwischen sind drei weitere Alben erschienen: "Paramount" (1996), das Remix-Album "Musique légère" (1999) und "Driving South" (2000). Zu den jüngsten TRANCE GROOVE-Veröffentlichungen zählt auch ein "Replay" eines Nico-Stückes mit der Originalstimme der inzwischen verstorbenenen Sängerin: "Im Reich der Träume" (2000). TRANCE GROOVE verzeichnet nicht nur hierzulande, sondern bis in die USA große Erfolge: "Paramount" wurde 1998 für den Indie-Award der American Foundation of Independent Music nominiert.


Helmut Zerlett über TRANCE GROOVE

"Durch die Musik, die ich mit Stefan Krachten zusammen gemacht habe, zieht sich ein roter Faden: FEEL, DUNKELZIFFER, THE UNKNOWN CASES, TRANCE GROOVE haben sehr viel gemeinsam.
Das, was TRANCE GROOVE heute macht, ist mehr oder weniger das, was DUNKELZIFFER früher gemacht hat, mit anderen Vorzeichen wie bei DUNKELZIFFER treffen wir uns zu Konzerten, machen anderthalb bis zwei Stunden lang frei Musik zusammen.
Bei TRANCE GROOVE gibt es dabei Tapes, die schon eine Tonart und einen Groove vorgeben. Dazu spielen wir, interpretieren das Stück neu. Das heißt, man hat zwar große Freiheiten, hat trotzdem aber ein Mindestmaß an Vorgaben. Durch die Tapes haben wir auch eine Stücke-Struktur. Wenn das Band drei bis fünf Minuten lang ist, wird das Stück auch so lang sein. TRANCE GROOVE gehört nicht zur Elektronik. Es gibt natürlich viele Loops, die vom Band kommen. Dadurch, dass aber sieben Leute live dazu spielen, ist es viel mehr handgemachte Musik als elektronisch reproduzierte. Die Loops sind eher wie ein Rhythmus-Gerät, das mitläuft. Genau wie CAN früher schon mit einem Rhythmus-Gerät live gearbeitet hat: 
TRANCE GROOVE schafft ähnlich wie DUNKELZIFFER eine Party-Atmosphäre. Das finden die Leute natürlich toll. Es sind sehr gute Musiker, die da mitspielen, und es ist immer wieder ein Happening, auch immer wieder etwas Neues. Zwei gleiche Trance Groove-Konzerte gibt es nicht, obwohl es eigentlich das gleiche Programm ist.
Jedes Konzert ist sehr emotionsabhängig, abhängig von dem was gerade passiert.”
(Helmut Zerlett)

Wer oder was ist „Trance Groove“? Das unweigerlich intensive Hörerlebnis der CD „Meant To BeLike This“ fördert tiefschürfende Tablabeats und ähnlich hoch dosierte Rhythmusexzesse, breite Basslines und fette Bläserlinien, dazu jede Menge Scratchbreaks und Trompetensoli, gnadenlose Gitarre und gallische Gesänge zutage. Das will manchmal an Hendrix im Remix und immer wieder an Can erinnern. Dabei wurmt es die Ohren nicht nur verdammt gut, sondern auch elegant analog. Das funktioniert genau so in der gleißenden Morgensonne, wie zum entspannten Nachmittagstee und bei nächtlichen Autobahnfahrten. Die Musik zieht einen in ihren Bann, regt an und ab, inspiriert zu allerlei Gedanken- und Körpersprüngen. Lebendigkeit siegt über Langeweile. Und genau so oder ähnlich möchte man sich in „Trance Groove“ hinein fühlen.

Will man Fakten, befragt man am besten das Lexikon. Vom Brockhaus lernt man zum Beispiel, dass „Trance“ aus dem Französischen kommt und ein „Bewusstseinszustand ist, der die freie Willensbestimmung ausschließt und etwa bei Benommenheit, Schlafwandeln, Hypnose, Ekstase oder meditativer Entrückung vorliegt“. Über Groove steht da, es sei „die Bezeichnung für eine ständig wiederkehrende,ein Arrangement bestimmende Figur“ oder auch „das Gefühl für Rhythmus, Spannung und Tempo eines Stückes“. Setzt man aus diesen Worten einen Bandnamen zusammen, versteht sich das eigentlich von selbst. Doch auch dieses Selbstverständnis kann die eine oder andere Erklärung vertragen.
Die Band „Trance Groove“ wurde vor ziemlich genau zehn Jahren vom Drummer und Percussionisten Stefan Krachten, der Reebop und Jaki Liebezeit als Trommeleinflüsse und Helden des „Magic Beat“ nennt, gegründet. Anlass war ein Konzert im Kölner „Stollwerk“, zu dem Krachten als Produktionspartner und Bassist Dal Martino (u.a. Nighthawks, Phoenix) gewann. Dazu kamen Freunde und Kollegen wie der Keyboarder Helmut Zerlett, mit dem er auch die „Unknown Cases“ macht (das Studioprojekt besteht seit 1980 und ist nicht zuletzt durch „Masimbabele“ bekannt), sowie auch Jürgen Dahmen (Piano, auch Propaganda, Montana Blue), Reiner Winterschladen (Trompete, heute bei der NDR Bigband und Nighthawks) und DJ Heli (auch bei Jean Park und Klaus Doldinger). Die Idee war und ist auf der Basis von Loops im Moment neue Musik zu machen- spontan improvisiert, risikofreudig komponiert, ohne Netz und doppelten Boden. Bass und Schlagzeug sind der Kern zu dem gespielt wird was gefällt. Die einzigen Regeln sind, dass keiner zu viel spielt, dafür alle immer aufeinander hören. (Der Name des Ensembles bezieht sich eben nicht auf technoiden Wahn, sondern vielmehr auf das Album „Trance“ ihres legendären Freundes und Kollegen Reebop Kwaku Baah.) Mit gutem Grund funktioniert „Trance Groove“ auch heute noch als eine Art „Mutterschiff“ für jede Menge „Tochterboote“ wie u.a. auch „Nighthawks“, „Bassculture“ und natürlich „Trance Club“, der
nicht nur als monatlicher Club im Kölner „Camouflage“, sondern vor allem auch als Band funktioniert.

„Meant To Be Like This“ ist der schicksalhafte Titel des fünften „Trance Groove“ Albums.
Konsequent und kongenial folgt es dem live-eingespielten, später reichlich overdubten Debüt
„Solid Gold Easy Action“ (1994), dem Indie-Grammy nominierten Zweitling „Paramount“ (1996),dem Remixalbum „musique legere“ (1999), dem US-College-Charterfolg „Driving South“ (2000) und dem gern gehörten „Replay“ von Nicos „Im Reich der Träume“ (2000). Eingespielt in (fast) Originalbesetzung in Düsseldorf, dann wieder dechiffriert und dekoriert mit allerhand gemeinsam Improvisiertem im „Mad Mix“ Studio des Exil-Berliners Manfred Praeker von „Spliff“ in Portugal und anschließend in Düsseldorf sorgfältig gemixt und sagenhaft gemastert, zeigt das Album, wie „Trance Groove“ sein soll. In bester Can-Tradition wird die Musik im Moment ge- und erfunden. Die Basis geben zwar die eigenen Loops vor, aber darauf werden nicht etwa auswendig gelernte „Songs“ dargeboten, sondern es wird immer wieder spontan und aufs Neue drauf los gespielt. Zusätzlich wird mit allerhand experimentiert, von exotischen Rhythmen bis zu exotischen Klängen (Helmut Zerlett spielt auf diesem Album auch Omnichord und Waterphone!). Der instrumental-musikalische Grundgedanke hält dieses Klanggebilde zusammen. Das Motto: Spielen statt Programmieren. Die schwerste Entscheidung im Mix: Was lassen wir wo weg? Im Klartext bedeutet es, dass die zehn Klangepisoden von „meant to be like this“ in all ihrer inspirierten und improvisierten Offenheit nie den Faden verlieren.
Eingerahmt vom Intro „Reponse“, dessen treibender Beat, von Fender Rhodes, Hammond undBass angefettet, eine sündhafte Trompete und den Gesang von Elfie-Esther Seitz (Carambolage) unterstützt, und dem Outro „Changez“, das einen mit den selben instrumentalen Mitteln schwebend in die Nacht entführt, finden sich Funk-Versatzstücke wie „Champagne“, die housigen Bonanza-Beats von „Goldfinger“, Latinausflüge á la „Jean Gabin“, und sogar ein im Studio improvisiertes Tribut an den 2001 gestorbenen Can-Gitarristen „M. Karoli“. Das ist sicher auch „Dancefloor vom Feinsten“, „einwandfrei eine Ausnahmeerscheinung im aktuellen Musikgeschehen“, „just the ticket for a trip to cyber-funsville“ und sowieso „highly recommended“, wie Kritiker zwischen hier und Harlem den Vorgängern immer wieder bescheinigten. Aber vor allem der Hörgenuss am kollektiven Loslassen, an der selbstverständlichen Momentaufnahme, an Klangfarben und Soundskulpturen, die je nach Bedarf anregen oder entspannen. „Trance Groove“ ist sicherlich und mit ganzem Herzen
„meant to be like this“.